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http://www.kath.net/detail.php?id=28503
Bremen
(kath.net/idea) Der Bundespräsident sagte am 3. Oktober in Bremen:
„Zuallererst brauchen wir eine klare Haltung … Das Christentum gehört
zweifelsfrei zu Deutschland. Das Judentum gehört zweifelsfrei zu
Deutschland. Das ist unsere christlich-jüdische Geschichte. Aber der
Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland.“
Wie ist dieser Satz zu verstehen? Wollte der Bundespräsident lediglich
die Tatsache betonen, dass der Islam unumkehrbar Bestandteil der
deutschen Gesellschaft geworden ist? Eine nette Geste – und inhaltlich
nicht zu diskutieren.
Allerdings hat sich Bundespräsident Wulff mit dieser Aussage nicht zu
den Muslimen in Deutschland bekannt, sondern zum Islam. Dass er „zu
Deutschland gehört“, kann auch als Anspruch verstanden werden – so wie
es der „Zentralrat der Muslime“ in Deutschland gleich freudig mit neuen
Forderungen an die Politik tat: Nach diesem Verständnis hätte „der
Islam“ das Recht auf politische Mitgestaltung, so wie das Judentum und
Christentum die Grundlagen und Werte unserer Kultur geprägt haben.
Manche werden sagen: Ist das denn falsch? Gibt es denn nicht in diesen
drei Religionen ähnliche Vorstellungen von dem einen Gott, den guten
Werken im Diesseits und einen friedensstiftenden Auftrag?
Die Religionen haben unterschiedliche Werte
Doch ganz so einfach ist es nicht. Zwar ist es ein positives Signal,
wenn ein Staatsoberhaupt Muslimen die Hand reicht. Und dennoch:
Ernsthafte Auseinandersetzungen über die Grundlagen der Kulturen sind
notwendig, um zu verstehen, wo es um Religion und wo es um politische
Ansprüche geht, die die Grundwerte unserer Geschichte, Kultur und
Gesellschaft gerade in Frage stellen.
Es ist unstreitig, dass der Koran ein Gottes- und Menschenbild entwirft,
das sich fundamental von der jüdisch-christlichen Botschaft
unterscheidet. Islam bedeutet „Unterwerfung, Hingabe“. Unterwerfung
unter Allah und sein Gesetz ist die erste Glaubenspflicht des Islam.
Muhammad war bekanntlich nicht nur Verkündiger, sondern ab 622 n. Chr.
in Medina auch Gesetzgeber und Feldherr. Auch nach der Kalifenherrschaft
661 n. Chr. blieb das Ideal der weltlichen und geistlichen Herrschaft
in einer Hand lebendig.
Im 10. Jahrhundert gewann das religiös begründete Gesetz, die Scharia,
Gestalt, die gerade keine Trennung in weltliche und geistliche Belange
kennt. Weder Aufklärung noch Religionskritik noch eine kritische
Aufarbeitung der islamischen Geschichte gibt es in islamischen
Gesellschaften bisher.
Ein Euro-Islam oder „Islam light“ ist zwar in den Schriften mancher
Menschen- und Frauenrechtler auszumachen. Aber sein Einfluss auf die
offizielle Lehre ist gering. Reformdenker werden im Nahen Osten
verfolgt.
Der in Europa in Verbänden und Dachverbänden organisierte Islam ist vor
allem ein politischer Islam, der gerade diesen ganzheitlichen
Herrschaftsanspruch des Islam befürwortet und als Minderheit die
Deutungshoheit über die gesamte islamische Gemeinschaft in Europa
beansprucht. Sämtliche in Europa ansässigen islamischen
Ausbildungsinstitute für Theologen lehren einen solchen Scharia-Islam.
Mit dem Festhalten an der Scharia kann es jedoch keine Begründung für
ungeteilte Menschen- und Freiheitsrechte, für Religionsfreiheit sowie
Frauen- und Minderheitenrechte geben. Ein solcher Islam ist nicht
grundgesetzkompatibel und ein solcher Islam gehört keinesfalls zu
Deutschland. Unser Grundgesetz baut auf einem jüdisch-christlichen
Wertekanon von der Verantwortung, Würde und Freiheit aller Menschen
unabhängig von Geschlecht, Religion und Herkunft auf.
Durch diesen Wertekanon im Verbund mit Religionskritik und Aufklärung
entstand die Trennung von Kirche und Staat, Gewaltenteilung und
Rechtsstaatlichkeit, das Gewaltmonopol des Staates sowie Religions-,
Meinungs- und politische Freiheitsrechte. Wenn der politische Islam auf
Mitbestimmung pocht, dann gerade nicht, weil er Andersdenkenden diese
Rechte dauerhaft einräumen würde.
Die Kairoer Menschenrechtserklärung etwa, die sich 57 islamische Staaten
zu eigen gemacht haben, gewährt nur demjenigen Menschenrechte, der als
praktizierender Muslim nach den Regeln der Scharia lebt.
Wollte der Bundespräsident nun sagen: Bisher haben das Juden- und
Christentum Deutschland geprägt, aber nun darf es auch der Islam sein.
Das wäre fatal, denn die schariabefürwortende Variante des Islam kann
die Werte und Freiheiten unserer Gesellschaft nicht begründen.
Diese Rechte befürworten kann nur ein unpolitischer Islam, ein
spiritueller Glaube, der sich von jeglichem politischen Anspruchsdenken
losgesagt hat. Einem solchen Islam mag man zustimmen oder nicht, er hat
in einem Land mit Religionsfreiheit Existenzberechtigung wie alle
anderen Religionsgemeinschaften auch. Er ist jedenfalls nicht
unvereinbar mit dem Grundgesetz, weil er sich allein auf den Bereich der
persönlichen Glaubensüberzeugungen beschränkt.
Ein solcher Islam wird von vielen Muslimen bei uns gelebt, aber als
strukturell organisierter Islam ist er derzeit nicht existent. Er kann
auch nicht aus den Gesellschaften des Nahen Ostens zu uns kommen, denn
kein islamisch geprägter Staat dort ist ein Rechtsstaat, keiner bietet
wirkliche Freiheits-, Frauen- oder Menschenrechte, keiner kennt die
Gewaltenteilung, keiner ist eine Demokratie.
Es scheint schwer vorstellbar, dass das angesichts der Berufung aller
arabischen Verfassungen auf die Scharia als Gottesgesetz und eines immer
noch beträchtlichen Einflusses der muslimischen Gelehrtenwelt auf
Gesellschaft und Politik im Nahen Osten bloßer Zufall ist.
Häufig wird die Klage erhoben, der Islam werde vom deutschen Staat nicht
anerkannt – dies sei aber die Grundlage allen gleichberechtigten
Miteinanders. Diese Aussage basiert auf einem grundlegenden
Missverständnis:
Der Staat kann keine Religion anerkennen, er erkennt auch weder das
Juden- noch das Christentum an. Er kann aber mit verfassten,
grundgesetz-loyalen und auf Dauer und Repräsentanz angelegten
Religionsgemeinschaften in ein Vertragsverhältnis treten, von dem beide
Seiten profitieren. Der Staat geht bei der Verleihung des
Körperschaftsstatus davon aus, dass die verfassten
Religionsgemeinschaften den Werteerhalt im Sinne des Grundgesetzes
fördern. Darin unterstützen ihn die Religionsgemeinschaften.
Auch der Islam kann Religionsgemeinschaft werden, wenn er die
Voraussetzungen dazu erfüllt, was bisher nicht der Fall ist. Es wäre
fatal, wenn der Staat kleine islamische Dachverbände, die nur eine
Minderheit der Muslime als Mitglieder repräsentieren und zugleich dem
politischen Anspruch der Scharia keine Absage erteilen, zu
Religionsgemeinschaften erklären würde.
Da liegen die Verhältnisse bei der islamverwandten Gemeinschaft der
Aleviten schon anders, die sich grundsätzlich von der Gültigkeit des
Schariarechts distanzieren und Frauen volle Gleichberechtigung
zubilligen.
Dass es bisher nicht zu einer Anerkennung des Islam als
Religionsgemeinschaft gekommen ist, ist also keine Verweigerung eines
Status, der Muslimen längst zustünde, wie oft impliziert wird, sondern
liegt in der mangelhaften Erfüllung der Voraussetzungen auf dem Weg zur
Religionsgemeinschaft begründet.
Ja, Deutschland ist längst multi-kulturell und multi-religiös. Christen
sind dazu aufgerufen, allen Menschen gleichermaßen mit Achtung und
Wertschätzung zu begegnen. Aber andererseits darf unter dem drohenden
Vorwurf des Rassismus die notwendige inhaltliche Auseinandersetzung mit
den Werten eines schariageprägten Islam nicht abgewürgt werden.
Respektvoller Umgang ja – aber weder Meinungs- noch Freiheitsrechte
dürfen mit Rücksicht auf muslimische Befindlichkeiten eingeschränkt
werden.
Sich der eigenen Wurzeln zu versichern, bedeutet noch keine Arroganz. Zu
wissen, was die unaufgebbaren Schätze der eigenen Tradition sind, macht
erst fähig zur Begegnung und zum Dialog. Daran festzuhalten, dass aus
den eigenen Grundlagen Werte wie Gleichberechtigung, Religionsfreiheit,
Freiheitsrechte und die Trennung von Kirche und Staat hervorgingen und
diese Grundlagen auch zu benennen, hindert nicht daran, Menschen aus
anderen Kulturkreisen wertzuschätzen und offen aufzunehmen.
Es hindert aber an einer unguten Gleichmacherei zwischen grundsätzlich
unterschiedlichen Wertesystemen. Es ist nach 50 Jahren
Migrationsgeschichte an der Zeit, nicht nur bei Äußerlichkeiten stehen
zu bleiben, sondern auch die weltanschaulichen Grundlagen der Religionen
zu thematisieren sowie die Werte, die sie hervorbringen. Das mag nicht
allen gleichermaßen gefallen. Trotzdem sollten wir an dieser Aufgabe
festhalten, um Klarheit über hiesige und aus anderen Kulturen stammende
Wertegerüste zu gewinnen. Bundespräsident Wulff sagte dazu:
„‚Deutschland, einiges Vaterland’, das heißt, unsere Verfassung und die
in ihr festgeschriebenen Werte zu achten und zu schützen“ – dem ist
nichts hinzuzufügen.
Prof. Christine Schirrmacher ist Islamwissenschaftlerin und Leiterin
des Instituts für Islamfragen der Deutschen Evangelischen Allianz in
Bonn.